Skriptum zur Vorlesung "Pflanzenbestimmen"
Die Frucht
Definition
Als Frucht bezeichnet man die Blüte im Zustand der
Samenreife. Früchte bestehen aus Blütenteilen, Blüten und
gegebenenfalls zusätzlichen Hilfsorganen. Sie umschließen
den Samen und geben diesen bei der Reife frei oder werden
zusammen mit ihm ausgebreitet. Bei der Umbildung der
Fruchtknotenwand in die Fruchtwand (Perikarp) differenziert
sich diese in ein einschichtiges Exokarp und ein
einschichtiges Endokarp zwischen denen sich ein
mehrschichtiges Mesokarp befindet. Je nach Beschaffenheit
der einzelnen Schichten und der Art der Freisetzung der
Samen können Früchte in verschiedene Klassen eingeteilt
werden.
Klassifizierung der Früchte
Die Klassifikation der Früchte kann nach verschiedenen
Gesichtspunkten erfolgen. Während Gymnospermen noch den
bloßen Samen als Verbreitungseinheit (Diaspore) benutzen,
finden sich bei den ursprünglichen Angiospermen zuerst
Einblattfrüchte, bei höher entwickelten Angiospermen
Sammelfrüchte aus freien chorikarpen Karpellen und
schließlich Sammelfrüchte aus echten coenokarpen Gynoeceen.
Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Beschaffenheit
der Fruchtknotenwand nach ihrer Umbildung zum Perikarp. Sind
alle Fruchtschichten bei der Reife mehr oder weniger
trocken, so spricht man von Trockenfrüchten, ist das
Perikarp im Ganzen oder teilweise saftig, so bezeichnet man
die Frucht als Saftfrucht.
Unterschiedlich ist auch die Form der Fruchtöffnung.
Ursprünglich sind Öffnungsfrüchte, die den Samen bei der
Reife freisetzen. Bei fortschrittlicheren Gruppen bleiben
die Samen auch bei der Reife von der Fruchtwand umschlossen
und werden zusammen mit der Frucht verbreitet
(Schließfrüchte).
Schließfrüchte können schließlich zerfallen und den Samen
freisetzen (Zerfallfrüchte).
Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die
wichtigsten Fruchttypen und deren wichtigste Merkmale.
EINZELFRÜCHTE
- Öffnungsfrüchte
- Balgfrucht (Abb. 20a)
Bildung aus einem apokarpen Karpell, Öffnung entlang der Verwachsungsnaht
Beispiele: Consolida regalis, Caltha palustris
- Hülse (Abb. 20b)
Bildung aus einem apokarpen Karpell, Öffnung an Bauch- und Rückennaht
Beispiele: typische Frucht der Fabaceae
- Kapsel (Abb. 20c)
Bildung aus zwei oder mehreren verwachsenen Karpellen.
Öffnung durch Eintrocknen oder Verholzen des Perikarps.
Man unterscheidet Spaltkapseln (Gossypium), die sich
entlang der Verwachsungsnähte oder Mittelrippen öffnen,
Porenkapseln (Papaver spec.), bei denen die Samen durch
Öffnungen unterhalb der Narbe entlassen werden und Deckelkapseln, bei denen
sich der obere Teil des Perikarps als Ganzes ablöst (Hyoscyamus spec.).
- Schote (Abb. 20d)
Die Schote stellt eine Sonderform der Spaltkapsel dar, die typisch für
Brassicaceae ist. Sie besteht aus zwei parakarpen Fruchtblättern,
zwischen denen eine falsche Scheidewand gebildet wird, auf der die Samen
liegen.
Beispiele: alle Brassicaceae
Schließfrüchte
- Beerenfrüchte
Beerenfrüchte zeichnen sich durch ein häutiges Exokarp
und ein fleischiges, saftiges Meso- und Endokarpaus.
Beispiele: Solananceae, Cucurbitaceae: Gurke, Cucurbita
(Panzerbeeren), Musa
- Steinfrüchte (Abb. 21a)
Das Exokarp ist fest und ledrig, das Mesokarp
meist fleischig/saftig (Prunus spec.), bisweilen faserig,
das Endokarp verholzt (Amygdalus spec., Juglans spec.,
Pistacia vera, Cocos nucifera)
- Nußfrüchte (Abb. 21b)
Bei Nußfrüchten sind alle drei Schichten des Perikarps zu
einer harten Schale verholzt (Corylus, Castanea).
Sonderformen der Nußfrucht sind die Achaene und Karyopse
(s.u.)
- Bruchfrüchte (Klausen, Abb. 21c)
Die Früchte werden durch falsche Scheidewände unter
kammert und zerfallen bei der Reife in einsamige Schließfrüchte.
Beispiel: Lamiaceae, Boraginaceae
SAMMELFRÜCHTE
Bei Sammelfrüchten entwickelt sich jedes apokarpe
Fruchtblatt einer Blüte zu Einzelfrüchten, die aber durch
Fruchtwände oder Gewebe der Blütenachse miteinander
verbunden sind. Die Ablösung von der Mutterpflanze erfolgt
als Einheit.
Man unterscheidet entsprechend in Sammelbalgfrüchte (Beispiel: Malus spec.,
Pyrus spec., Abb. 21e), Sammelbeeren, Sammelsteinfrüchte
(Beispiel: Rubus spec. auf kugeliger Blütenachse) und
Sammelnußfrüchte (Beispiele: Fragaria spec., Rosa spec.,
Abb. 21d)
FRUCHTVERBÄNDE
Fruchtverbände entstehen aus Blütenständen, wobei die
Früchte der Einzelblüten durch fleischiges Achsengewebe oder
Blütenteile zusammengehalten werden. Die Ablösung von der
Mutterpflanze erfolgt wie bei Sammelfrüchten als Ganzes.
Es gibt Beerenverbände (Ananas), Steinfruchtverbände
(Ficus carica) und Nußverbände (Brotfruchtbaum).
Sonderformen der Nußfrucht
Karyopse
Die Karyopse ist eine Sonderform der Nußfrucht. Sie geht aus
einem oberständigen Fruchtknoten hervor. Samenschale und
Fruchtwand sind fest verwachsen (Abb. 22). Sie ist die
typische Frucht der Poaceae (z.B. Triticum, Avena).
Achaene
Eine Achaene ist eine Schließfrucht aus einem unterständigen
Fruchtknoten bei der Samenschale und Fruchtwand fest
miteinander verwachsen sind. Der Kelch bleibt häufig als
Pappus (Abb. 23) erhalten und dient als Flugorgan zur
Verbreitung der Früchte. Die Achaene ist die typische Frucht
der Asteraceae. In Form einer Doppelachaene findet sich
dieser Fruchttyp auch bei den Apiaceae.
Verbreitungsarten
Die unterschiedlichen Früchte verfolgen verschiedene
Verbreitungsstrategien. Man kennt Windverbreitung
(Anemochorie), Wasserverbreitung (Hydrochorie) und
Tierverbreitung (Zoochorie). Dabei kann in Epizoochorie
(Verbreitung an der Oberfläche der Tiere) und Endozoochorie
(Die Samen oder Früchte werden gefressen und wieder
ausgeschieden) unterschieden werden.
Anemochore Verbreitung von Samen findet man beispielsweise
bei Centaurea, Leontodon, Tragopogon oder Taraxacum,
Windverbreitung von Früchten bei Acer, Betula u.a.
Epizoochor verbreitete Samen und Früchte benötigen Haft-
oder Klebeeinrichtungen, die ihnen ein Festhaften an der
Tieroberfläche ermöglichen. Solche Einrichtungen finden sich
z.B. bei Geum urbanum, Galium aparine oder Salvia glutinosa.
Endozoochor verbreitete Arten verfügen über Diasporen mit
Lock- (Nahrung) und Reizmitteln (Farbe, Duft) sowie über
geeignete Schutzmechanismen gegen die Verdauung des Samens
(Stein). Beispiele für endozoochore Verbreitung finden sich
bei Arten mit Steinfrüchten oder Beerenfrüchten (Prunus,
Ribes ...).